Verkauf nur an Unternehmen, Gewerbetreibende, Freiberufler und öffentliche Institutionen.

Der Hausschwamm – Mythos und Wahrheit

Ein Beitrag von Dr. Ingo Nuss in „Der Bausachverständige“:
Ohne Zweifel gehört der Hausschwamm, von der Wissenschaft Serpula lacrymans genannt, zu den faszinierendsten Pilzen. Allein die wissenschaftliche Literatur über diesen Organismus würde die Regale einer Hausbibliothek füllen. Wegen der von ihm angerichteten Schäden beschäftigen sich die Menschen schon seit Jahrhunderten mit dem Pilz, und es verwundert darum nicht, dass Geschichten über seine erstaunliche Fähigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben werden. Wahr ist, dass während des 17. Jahrhunderts ganze Flotten von Kriegsschiffen vom Hausschwamm außer Gefecht gesetzt worden waren, bevor sie zum Einsatz hatten kommen können1 und dass nach dem Zweiten Weltkrieg mehrgeschossige Wohnhäuser durch sein Zerstörungswerk zum Einsturz gebracht wurden2.

Der Hausschwamm hat sich im Laufe seiner Entwicklung von einem Bewohner des Waldes zu einem nahezu ausschließlichen Nutzer menschlicher Behausungen gewandelt3, und man wird ihn deshalb heute fast immer vergeblich in der freien Natur suchen. Seine Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Lebensbedingungen in unseren Wohnungen und Häusern ist beeindruckend. So findet man ihn in Form von hauchdünnen, spinnwebartigen Myzelien (= Pilzfäden-Geflechten) bis hin zu mehrere Zentimeter dicken Myzelmatten, welche für Wärmedämm-Material gehalten werden könnten. Daneben formt er bindfadenartige Gebilde, Stränge genannt, welche unter FußbodenDielen Entfernungen von einem oder gelegentlich mehreren Metern4 überbrücken und Mauern durchwachsen können. In den Strängen werden Wasser und Nährstoffe von der Nahrungsquelle bis hin zur Wachstumsfront transportiert5. Mit ihrer Hilfe kann er auf der Suche nach neuen Nahrungsquellen alle Hindernisse, welche ihm keine Nahrung bieten, überqueren, seien sie Mauerwerk, Metall- oder Kunststofftanks oder auch Glasflächen. Auch in der Ausbildung seiner Fruchtkörper ist er äußerst anpassungsfähig und bildet je nach Gegebenheit flache Überzüge, knotige Auswüchse oder waagerecht abstehende Hüte. Auf den Fruchtkörpern werden die Hymenien (= Fruchtschichten) gebildet, welche die Basidien (= Sporenträger) und auf diesen die Sporen in unvorstellbaren Mengen produzieren. Oft bedecken die von der Luft fortgetragenen Sporen sämtliche Oberflächen in einem Gebäude, Fußböden, Möbel und alle übrigen Gegenstände in Form eines feinen bräunlichen Staubes.

Seine Vielgestaltigkeit und die beschriebenen Fähigkeiten sind es, welche zu Mythen geführt und den Hausschwamm zu einem der am meisten gefürchteten Organismen bei betroffenen Haus- und Wohnungseigentümern gemacht haben. Einer dieser Mythen ist, dass der Pilz in der Lage wäre, trockenes Holz zu bewachsen und zu zerstören, ein anderer, dass er von einem befallenen Haus mit Hilfe seiner Sporen oder Myzel-Reste, welche bei den Arbeitern an ihren Fußsohlen haften, ein bislang hausschwammfreies Gebäude befallen könnte. Was ist dran an diesen Mythen? Ist der Pilz tatsächlich fähig, solche Dinge zu tun? Haben die Holzschutzgutachter und Sanierer recht, wenn sie alle befallenen Holzbalken jeweils 1m über den sichtbaren Befallsrand hinaus ›gesundschneiden‹, vom Mauerwerk den Putz 1,5m in alle Richtungen über das letzte Myzeloder Strangstückchen hinaus abschlagen oder einen mineralischen Fußboden aufschlagen und das Erdreich bis in 150cm Tiefe abtragen oder ein schon vom Putz freigelegtes Mauerwerk weit über die Befallsgrenzen hinaus, nämlich 1,5m, mit Packern versehen und anschließend mit giftigen Chemikalien ›fluten‹? Was für ein gefährliches Wesen muss dieser Hausschwamm sein, dass solche Maßnahmen gerechtfertigt wären? Antworten kann nur der Pilz selbst geben.

Nur wer die Biologie des Hausschwammes kennt, weiß auch, was der Pilz kann und – das ist für die Behandlung von befallenen Gebäuden wichtiger zu wissen – was er nicht kann. Verfolgt man die Entwicklung eines Hausschwamm-Individuums von der ›Geburt‹ bis zum ›Tod‹, dann laufen folgende Vorgänge ab: Mehrere Sporen keimen jeweils mit einem Keimschlauch und wachsen zu einem monokaryotischen (= einkernigen) Myzel heran. Bei Kontakt zweier oder auch mehrerer solcher Keim-Myzelien bildet sich ein sog. dikaryotisches (= zweikerniges) oder polykaryotisches (= vielkerniges) Myzel. Die Keimungen der Sporen auf Holz können nur erfolgen, wenn die Luft mit Feuchtigkeit nahezu gesättigt ist6 und das Holz mindestens 30% Holzfeuchtigkeit enthält. Sie haben größere Erfolgschancen, wenn das Holz zuvor von Schimmelpilzen oder dem Kellerschwamm bewachsen war7 . Das Myzel (= Pilzfädengeflecht) kann sich nur entwickeln und weiterwachsen, wenn:

  1. die Feuchtigkeit des Holzes über 20 % liegt und
  2. die unmittelbar umgebende relative Luftfeuchtigkeit mehr als 82% beträgt8 (optimales Wachstum erfolgt bei 98 % relativer Luftfeuchtigkeit9 ) und
  3. in diesem Bereich so gut wie keine Luftbewegung vorhanden ist.

Das zarte weiße Myzel ist nämlich extrem empfindlich gegen Luftzug und stirbt nach zehn Minuten ab, wenn es einem Luftzug ausgesetzt wird10. Auch stellt es bei relativer Luftfeuchtigkeit unter 82% das Wachstum ein. Diese Bedingungen für das Entstehen und die Weiterentwicklung eines Myzels des Hausschwammes gelten immer und überall. Wenn sie nicht gegeben sind, hört der Pilz zu wachsen auf oder stirbt längere Zeit später ab.


Dicke Stränge an der Holzunterkonstruktion


Hausschwamm (Serpula lacrymans) an der Kellerwand


Anliegende und abstehende Fruchtkörper


Fruchtkörper des Hausschwammes


Dickes, sich ausbreitendes Hausschwamm-Mycel


Hausschwamm-Mycel an der Kellerwand

Viele Sachverständige, welche schon einmal einen Hausschwammfall bearbeitet haben, werden sich erinnern, dass der gesamte Bereich eines umfangreichen Hausschwammbewuchses in einem Gebäude zum Stillstand kam, als die entsprechende Holzverschalung oder die Dielung, hinter welcher der Hausschwamm gewachsen war, entfernt worden war. Derselbe Zustand kann selbst nach einem Jahr oder längerer Zeit unverändert vorgefunden werden, wenn die Pilze der normalen Luftbewegung ausgesetzt sind.

Bei Vorhandensein der genannten Wachstumsvoraussetzungen entwickelt sich das Myzel kreisförmig in alle Richtungen zu einem großen Myzelteppich von 1m Durchmesser oder auch mehr. Der fortwachsende Rand ist dick und sehr dicht gewachsen, während sich rückwärts bei dem einen Typ von Myzel die einzelnen Hyphen (= Pilzfäden) zu Strängen zusammenschließen11, bei dem anderen Typ es zu Verdichtungen, dann Auffaltungen und Verfärbungen kommt, weil hier ein Fruchtkörper entsteht12. Ist reichlich Nahrung und ist keinerlei Luftbewegung vorhanden und hat zusätzlich die Luftfeuchtigkeit Werte nahe der Sättigungsgrenze von 100%, dann luxuriert das Myzel und bildet große dicke ›Wattebüschel‹. Trifft das Myzel hingegen auf Konkurrenz (Schimmelpilze oder holzzerstörende Pilze) oder ist anderweitig unter Stress, verändert es seine Farbe von vorher Weiß zu Gelb13. Oft besiedelt eine der Kellerschwamm arten – häufiger der Kleinsporige Kellerschwamm (Coniophora marginata) als der Warzige Kellerschwamm (Coniophora puteana) – stark durchnässtes Holz zuerst, stirbt aber ab, sobald die Holzfeuchtigkeit sinkt. Jetzt siedelt sich der Hausschwamm an und überwächst den abgestorbenen (oder inaktiven) Kellerschwamm mit seinem Myzel14.

Der Hausschwamm ist ein sog. ›Oberflächenpilz‹ im Gegensatz beispielsweise zu den ›Blättlings-Arten‹ (Gloeophyllum spp.), welche als Kernholzpilze das Holz von innen her abbauen. Er überwächst das Holz zunächst immer als hauchzartes Oberflächenmyzel und erst Millimeter hinter dem fortschreitenden Wachstumsrand werden Hyphen in das Substrat (hier: das befallene Holz) gesenkt, welche mit hauchfeinen Fäden – viel dünner als der normale Hyphendurchmesser – durch die Produktion von Enzymen Löcher in die Tüpfel oder Holzzellwände bohren und dort mit dem Abbau des Holzes beginnen14a. Das sichtbare Myzel ist folglich auch die äußere Grenze des Befallsbereiches des Holzes. Während des Holzabbaus verfärbt sich das Holz braun (Braunfäule-Typ durch den Abbau hauptsächlich von Zellulose), wird instabil und bekommt die charakteristischen, senkrecht zueinander verlaufenden Längs- und Querrisse (= ›Würfelbruch‹). Das Oberflächenmyzel kann dem strangbildenden oder dem fruchtkörperbildenden Typ angehören. Hausschwammstränge lassen ihre Entstehung aus dem Zusammenschluss hauptsächlich schon vorhandener Myzelhyphen hinter der Wachstumszone daran erkennen, dass sie über lange Zeit in ein zartes Myzelgeflecht eingebunden sind. Erst wenn das Myzel abstirbt, liegen die Stränge mehr oder weniger frei. In ihrem Inneren bestehen ausgewachsene Stränge aus einer Vielzahl von weitlumigen Gefäßhyphen (= Gefäßhyphen mit großen Durchmessern), in denen Wasser und Nährstoffe transportiert werden. Diese sind von verschiedenen dünn und dickwandigen Hyphen umgeben, und die ›Rinde‹ der Stränge besteht ausschließlich aus sehr robusten Skeletthyphen, deren Wände so dick sind, dass in ihrem Inneren nur ein haarfeiner Raum (Lumen) übrig bleibt. Anders als z.B. die Wurzeln höherer Pflanzen (z. B. Sträuchern und Bäume), mit denen sie verwechselt werden könnten, wachsen die Hausschwamm-Stränge nie mit ihren Spitzen weiter, sondern immer und ausschließlich durch einzelne Hyphen, welche auswachsen und ein neues Myzel (= Pilzfädengeflecht) entstehen lassen. Folglich müssen auch zum Auswachsen eines Stranges alle genannten Bedingungen (Holzfeuchtigkeit, relative Luftfeuchtigkeit, stehende Luft) erfüllt sein, damit dieser Prozess einsetzen kann. Das Strangmyzel ist zwar ein Überdauerungs›organ‹, welches aufgrund seiner schützenden dichten Ummantelung den Pilz unter bestimmten Voraussetzungen über einige Jahre lebend erhalten kann, wenn z. B. die Werte der Luftfeuchtigkeit unter 82 % gesunken sind und die Weiterentwicklung des Pilzes ausschließen, aber zum erneuten Aufleben des Hausschwammes durch das Auswachsen einzelner Hyphen aus dem Strang ist als unabdingbare Voraussetzung erforderlich, dass die umgebende Luft nicht in Bewegung ist und die Luftfeuchtigkeitswerte nahe der Sättigung liegen15.

Neben dem Myzel und den Strängen werden vom Hausschwamm als dritte Erscheinungsform Fruchtkörper gebildet. Man findet sie dort, wo wenigstens geringe Mengen an Licht hingelangen16. Sie können auf Holz, Mauerwerk oder sonstigen Materialien wachsen, können Ausmaße von wenigen Zentimetern bis zu einem Meter oder mehr haben17, die verschiedensten Formen annehmen und in den unterschiedlichsten Positionen wachsen. Immer geht ihnen die Entwicklung des schon beschriebenen weißen, wattigen Myzels voraus, das hinter seinem Wachstumsrand nirgendwo strangartige Aggregationen von Hyphen erkennen lässt, wie diese für die Strangbildung typisch sind. Die Fruchtkörper werden nie direkt von Strängen gebildet und die Fruchtkörper bilden nie direkt Stränge18. Hinter seinem dickwulstigen Wachstumsrand entwickelt sich auf dem Myzelteppich ein verdichteter Bereich, in welchem es zu Auffaltungen von wabenartigen Strukturen kommt, der Fruchtschicht (Hymenium). Die Braunfärbung der Fruchtschicht zeigt an, dass es zur Entwicklung von Sporen, den Verbreitungsorganen des Pilzes, gekommen ist. Diese sitzen immer in Vierzahl an sog. Basidien, von denen sie mittels eines noch nicht gänzlich erforschten Mechanismuses regelrecht abgeschossen werden, so dass sie in die Luft gelangen und von dieser über kleine oder auch sehr große Entfernungen fortgetragen werden. Die Hausschwamm-Fruchtkörper erzeugen unglaublich riesige Mengen von Sporen (5×106 in 10 Minuten auf einem 1m2 großen Fruchtkörper19), die in befallenen Gebäuden bis auf die Decken alle vorhandenen Oberflächen mit brauner Farbe bedecken. Frisch wachsende Fruchtkörper haben einen angenehm pilzlichen Geruch und sind nicht giftig. Ihre Sporen wirken nur in sehr seltenen Fällen allergen. Die Fruchtkörper sind ausgewachsen, wenn sie keinen weißen Wachstumsrand mehr haben, denn solange ein solcher vorhanden ist, setzt sich das Wachstum des Fruchtkörpers fort20. Wenn der Fruchtkörper durch die Sporenproduktion erschöpft ist, stirbt er ab. In relativ trockener Luft trocknet er aus und wird brüchig, nicht aber, wenn die Feuchtigkeit der Luft hoch ist. Dann bleibt er weich, unterliegt einem Autolyseprozess und wird von Schimmelpilzen befallen, bevorzugt von Scopulariopsis-Arten. Diese sind es, welche einen sehr üblen Geruch verbreiten. Die Sporen des Pilzes werden durch Wind über weite Strecken verbreitet, aber auch durch verschiedene Kleinsttiere wie Käfer, Asseln, Fliegen, Spinnen, Silberfischchen und Larven von Motten und Mücken21. Sie sind darum allgegenwärtig, in verfallenen Hütten ebenso wie in gepflegten Villen oder auch in Krankenhäusern.

Ist nun der Mythos wahr, dass der Hausschwamm von einem ausreichend feuchten Holzstück aus auf ein Stück trockenes Holz wachsen, dieses gar selbst befeuchten und dann besiedeln und abbauen kann? Nein, das ist ein Mythos! Weil das Wachstum des Hausschwammes immer und ohne Ausnahme mit der Entstehung und dem Wachstum eines weißen watteartigen zarten Myzels beginnt oder weitergeht und dieses nur bei relativer Luftfeuchtigkeit über 82% existieren und wachsen kann, ist das Überwachsen trockenen Holzes grundsätzlich nicht möglich. Sollten nämlich die genannten Luftfeuchtigkeitswerte gegeben sein, dann wäre ein unter diesen Bedingungen gelagertes Holz nicht mehr trocken, sondern würde automatisch über die Holzausgleichsfeuchte Feuchtigkeitswerte von etwa 25 % annehmen22. Auch das Befeuchten trockenen Holzes durch die am Myzel gebildeten Wassertropfen (Guttationstropfen) ist nicht möglich, weil zur Bildung der Guttationstropfen erneut relative Luftfeuchtigkeitswerte nahe der Sättigungsgrenze, also über 90%, die unabdingbare Voraussetzung sind23 und Holz unter diesen Bedingungen nicht trocken sein kann. In umfangreichen Experimenten ist außerdem nachgewiesen worden, dass ein Holzhaus, sofern die Hölzer trocken und luftumspült sind (= konstruktiver Holzschutz), auch dann nicht vom Hausschwamm befallen werden kann, wenn man frische Fruchtkörper des Hausschwamms auf das Holz nagelt24.

Damit ist zugleich nachgewiesen, dass auch der andere Mythos falsch ist, man würde ein zuvor nicht befallenes Haus mit dem Hausschwamm infizieren, wenn man aus einem befallenen Gebäude Myzel-, Fruchtkörper- oder Strangreste oder auch Sporen mit der Kleidung bzw. mit den Schuhsohlen aus dem Befallsbereich in das Gebäude einbringt. Der Befall von Holz in einem Gebäude ist andererseits immer möglich und sogar wahrscheinlich, wenn das Holz nass geworden ist. Dann ist der Befall unabhängig davon, ob das Holz zuvor schon befallen war oder nicht. Das Wachstum setzt lediglich schneller ein, wenn ein noch nicht völlig abgestorbener Befall schon vorher vorhanden war. Erstaunlich ist, dass der Hausschwamm in Deutschland und den Nachbarstaaten trotz der vielen einschränkenden Bedingungen eine so starke Verbreitung hat. Häufig sind Mängel in der Wartung alter Gebäude, aber auch Fehler bei Generalsanierungen die Ursachen für die Entstehung des Pilzes in einer Wohnung oder einem Gebäude.

Sobald Holz feucht wird, sind die Voraussetzungen für die Entstehung des Hausschwammes gegeben. Wurde z. B. in einem feuchten Keller Brennholz gelagert oder wurden dort Holzkisten abgestellt oder ein Holzregal direkt und ohne Isolierung auf den nackten Boden gestellt, dann darf man sicher sein, dass sich innerhalb eines halben Jahres der Hausschwamm ausbreitet. Fehlen an einem unbewohnten Haus größere Putzbereiche, so dass Nässe in das Mauerwerk dringen kann, oder wird durch eine Generalsanierung zuvor ins Mauerwerk eingedrungene Nässe eingeschlossen, wird sich nach wenigen Jahren der Boden in einem oder mehreren Räumen absenken, weil sich der Hausschwamm in den Balkenköpfen und Deckenbalken entwickeln konnte. Auch Undichtigkeiten an Regenabflussrohren in Verbindung mit fehlender oder mangelhafter Horizontal- und Vertikalisolierung können zu großen Schäden am Bauwerk durch den Hausschwamm führen.

Was in solchen Fällen zu tun ist, kann in der entsprechenden DIN nachgelesen werden. In der DIN (= Deutsche IndustrieNorm) werden von einem DIN-Normausschuss Handlungsanweisungen gegeben, von denen der Normalbürger annehmen muss, dass sie dem wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen würden. Aus diesem Grunde wird sie von den Holzschutz- und fast allen HausschwammSachverständigen in deren Gutachten zitiert und ist die ›Bibel‹ der Sanierungsfirmen bei allen Hausschwamm-Sanierungen. Für die Behandlung von Hausschwammbefall ist die DIN 68800, Teil 4, zuständig. Einige der Handlungsanweisungen entsprechen – aus welchen Gründen auch immer – nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Biologie des Hausschwammes und werden deshalb im Folgenden kritisch kommentiert:

  1. Einerseits verlangt die DIN als Voraussetzung für die Bekämpfungsmaßnahmen die »eindeutige Feststellung der Art der Schadorganismen und des Befallsumfanges durch dafür qualifizierte Fachleute oder Sachverständige« (§ 2.3), andererseits wird diese Bestimmung wieder aufgehoben durch den letzten Satz des §4.2.1 »Im Zweifelsfall ist so zu verfahren, als ob Befall durch den Echten Hausschwamm vorliegt.« Mit anderen Worten: Wenn ein Sanierer eine umfangreiche HausschwammSanierung für vielleicht 30.000,00€ durchgeführt hat, weil er einen harmlosen Pilz oder auch nur Spinnweben für einen Hausschwamm gehalten hat (ein solcher Fall war tatsächlich geschehen und ist dokumentiert), dann kann er sich auf den §4.2.1 berufen und wird wohl kaum von einem deutschen Gericht auf Schadenersatz verurteilt werden. Als Konsequenz muss dieser Satz aus der DIN gestrichen werden, denn er kann jederzeit von unseriösen Sanierungsfirmen dazu missbraucht werden viel Geld für Arbeiten zu kassieren, welche überhaupt nicht erforderlich sind.
  2. Andererseits fehlt in der DIN die Anweisung, dass unabdingbar überprüft werden muss, ob es sich um einen vitalen (lebenden) Befall handelt oder ob der Hausschwamm z. B. in einem Gebäude aus dem 17. Jahrhundert schon seit Jahrzehnten abgestorben ist. Mehrfach habe ich Fälle zu begutachten gehabt, wo von einem ›qualifizierten Fachmann‹ oder gar Holzschutzsachverständigen wegen seit langem abgestorbener HausschwammStränge wertvolle denkmalgeschützte Gebäudesubstanz zerstört werden sollte.
  3. Nach § 4.2.1 sind »alle befallenen Holzteile … ein ausreichendes Stück über den sichtbaren Befall hinaus zu entfernen, …bei Echtem Hausschwamm und verwandten Hausschwammarten um mindestens 1m in Längsrichtung der Hölzer.« Wissenschaftlich bewiesen ist, dass der Hausschwamm erstens ein Oberflächenpilz ist und er zweitens erst hinter der Wachstumszone seines zarten Myzels Hyphen in das Holz hineinwachsen lässt. Wo seine äußerlich am Holz sichtbare Wachstumsgrenze ist, dort ist auch die tatsächliche Grenze seines Wachstums. Zusätzlich gesundes Holz abzuschneiden, ist folglich nicht gerechtfertigt. Außerdem sollte es insbesondere im Denkmalschutz nicht entscheidend sein, wo die äußerlich sichtbare Grenze des Wachstums ist, sondern wo der Pilz tatsächlich das Holz schon soweit zersetzt hat, dass es seine Funktion aus statischen Gründen nicht mehr erfüllen kann. Nur solches Holz ist zu ersetzen. Häufig wird nämlich ein Befall in relativ frühem Stadium erkannt. Dann hat der Pilz zwar größere Bereiche des Holzes überwachsen, dieses aber bis auf wenige Millimeter des Balkenumfanges noch nicht abgebaut. In solchen Fällen kann das Holz erhalten bleiben, indem der Pilz entfernt, das Holz getrocknet und gegen Pilzbefall behandelt und durch konstruktive Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass es nicht erneut durchnässt werden kann. Solche Vorgehensweise ist mehrfach praktiziert worden, ohne dass es erneut zu Schäden gekommen ist. Voraussetzung ist aber, dass der Sachverständige das Wachstumsverhalten des Hausschwammes genau kennt, dass er die Ursachen des Befalls und den Umfang exakt ermittelt und die befallenen Bereiche durch z. B. Bohrwiderstandsmessungen untersucht. Danach kann er detaillierte Angaben machen, was in welchen Bereichen wie zu tun ist und wird dafür die volle Verantwortung übernehmen. Nicht selten werden von Sachverständigen Öffnungen und Teilentkernungen für Hausschwammuntersuchungen angeordnet, welche nicht erforderlich wären, weil mit nahezu zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden ermittelt werden kann, ob Befall vorliegt oder nicht. Wenn Deckenbalken unter einer Dielung Holzfeuchtigkeitswerte von 10-15 % aufweisen, dann ist es ausgeschlossen, dass dort aktiver Hausschwammbefall vorliegt. Ebenso können Deckenbalkenköpfe mittels der Bohrwiderstandsmethode auf Befall untersucht werden, ohne dass wertvolles Parkett zerstört werden muss. Untersuchungen auf Hausschwammbefall mit nahezu zerstörungsfreien Methoden durchzuführen, wo es möglich und wirtschaftlich vernünftig ist, sollte den Gutachtern und Sanierern in der DIN dringend empfohlen werden.
  4. Ein schweres Geschütz fährt die DIN mit den § 4.2.2 und 4.3.3 auf: §4.2.2: »Putz, Fugenmörtel, Mauerwerk (auch zweischaliges) und Hohlräume sind sorgfältig auf Pilzdurchwachsungen zu untersuchen. Dabei müssen auch angrenzende Räume, Geschosse und gegebenenfalls Gebäude einbezogen werden. Verdeckt eingebaute Holzbauteile einschließlich der Balkenauflagerbereiche sind freizulegen, wenn durch die Einbausituation oder den Zustand angrenzender Bauteile ein Befall zu vermuten ist, auch wenn keine sichtbaren Anzeichen dafür erkennbar sind.« § 4.3.3: »Ist das Mauerwerk von Myzel durchwachsen, ist grundsätzlich eine Bohrlochtränkung oder durch Druckinjektion ein Verpressen mit einem chemischen Schutzmittel nach § 3.1 zur Bekämpfung von Schwamm im Mauerwerk vorzunehmen. Bei Mauerwerk aus Hohlkammersteinen und bei zweischaligem Mauerwerk sind die Hohlräume ausreichend auszuspritzen. Der Sanierungsbereich – einschließlich eventueller Putzentfernung – soll sich auf 1,5m in alle Richtungen vom letzten erkennbaren Pilzmyzel erstrecken.« Eine Einschränkung erfährt der letzte Paragraph durch den § 4.3.4: »Auf die Durchführung chemischer Maßnahmen kann verzichtet werden, wenn im Befallsbereich sämtliche Hölzer entfernt und durch nicht befallbare Baustoffe und/ oder Bauteile (z.B. Beton, Stahlbeton, Stahl) ersetzt werden, auch anderweitig kein Holz und/oder Holzwerkstoffe neu eingebaut werden …«. Wenn man den zuletzt zitierten Paragraphen logisch durchdenkt, dann müsste es doch im Umkehrschluss heißen, dass Mauerwerk, aus dem Hölzer gar nicht entfernt zu werden brauchen, weil keine darin enthalten sind, ebenfalls chemisch nicht behandelt zu werden braucht (vgl. hierzu die Abb. auf S. 6) und wenn es nicht behandelt zu werden braucht, dann natürlich auch keiner Untersuchung mehr bedarf (= §4.2.2). Und das wäre richtig! Denn ohne jeden Zweifel kann sich ein Hausschwamm weder vom Putz oder Fugenmörtel, noch vom Mauerwerk ernähren. Sobald er von seiner eigentlichen Ernährungsgrundlage, dem Holz oder Holzwerkstoff, abgetrennt ist, stirbt er nach einiger Zeit ab, ohne noch irgendwo Schaden anrichten zu können. Falls ein Mauerwerk von Hausschwamm-Myzel oder -strängen über- oder durchwachsen ist und in diesem Mauerwerk, was heutzutage meistens der Fall ist, keine konstruktiven Hölzer wie z.B. in einem Fachwerkhaus vorhanden sind – was sich zerstörungsfrei mit entsprechenden Geräten ermitteln lässt – dann sind weder weitere Untersuchungen des Mauerwerks, noch eine chemisch bekämpfende Behandlung erforderlich, sofern durch entsprechende Isolierungsmaßnahmen verhindert wird, dass vorhandene Myzelien zu Holzmaterialien vordringen könnten. Es ist nicht zu verstehen, warum in dem ersten Paragraphen zunächst »grundsätzlich eine Bohrlochtränkung« für durchwachsenes Mauerwerk kategorisch gefordert wird, im Folgenden darauf hingegen verzichtet wird. Das erlaubt jedem Sanierungsunternehmen nach Gutdünken zu entscheiden, was zu tun sei. Gleiches gilt für den letzten Satz des §4.2.2, wonach bloße Vermutungen dem Sanierungsunternehmen die Berechtigung geben, großzügige Öffnungen vorzunehmen. Verdeckt eingebaute Holzteile und auch Balkenauflager können mit Hilfe der Bohrwiderstandsmessmethode auf Befall untersucht werden, ohne dass diese jeweils vollkommen freigelegt worden sein müssen.

Es wurden aufgrund des wissenschaftlichen Kenntnisstandes das Wachstumsverhalten des Hausschwammes und die Bedingungen detailliert beschrieben, welche zu seiner Entwicklung und zu seinem Wachstum unabdingbar erforderlich sind27. Hieraus ergeben sich Schlussfolgerungen, welche im krassen Widerspruch zu den Handlungsanweisungen der DIN 68800, Teil 4, stehen, nämlich

  • dass das Abschneiden gesunden Holzes 1 m (oder auch weniger) über den sichtbaren Befallsrand hinaus überflüssig ist [In Einzelfällen kann sogar befallenes Holz erhalten bleiben, wenn der Befall relativ frisch ist und noch kein funktionsbeeinträchtigender Holzabbau stattgefunden hat, was sich z. B. durch Bohrwiderstandsmessungen untersuchen lässt];
  • dass Mauerwerk, welches keine Konstruktionshölzer enthält, aber mit Myzel und Strängen vom Hausschwamm über- und durchwachsen ist, gleichfalls nicht mit Chemikalien behandelt, ja nicht einmal untersucht zu werden braucht, wenn möglicherweise vorhandene Kontakte zu Holz oder holzartigen Materialien durch Isolierungen unterbunden werden;
  • dass mineralische Fußböden ohne Konstruktionshölzer, welche von Myzel und Strängen vom Hausschwamm durchwachsen sind, nicht in alle (!!!) Richtungen 1,5 m über den erkennbar befallenen Bereich hinaus (§ 4.2.1) ausgebaut, ja nicht einmal untersucht zu werden brauchen, wenn möglicherweise vorhandene Kontakte zu Holz oder holzartigen Materialien durch Isolierungen unterbunden werden

Wesentlich bei allen HausschwammSanierungen bleibt

  1. als erste und wichtigste Maßnahme die Beseitigung der Ursachen des Befalls,
  2. die Trocknung aller durchnässten Bereiche,
  3. der Ersatz von nachweislich aus statischer Sicht zerstörten Holzbereichen,
  4. die Isolierung von Hölzern angrenzend an Befallsbereiche (etwa befallenen Wänden, Steinfußböden oder Mauern),
  5. die Schaffung von Luftzirkulation um gefährdete Hölzer,
  6. der vorbeugende Schutz gegen holzzerstörende Pilze und Käfer mit einem möglichst ungiftigen, aber wirksamen Holzschutzmittel, z. B „wood-bliss“.

Bavendamm, W. & H. Reichelt (1939). ‚Die Abhängigkeit des Wachstums holzzersetzender Pilze vom Wassergehalt des Nährsubstrates‘, Archiv f. Mikrobiol., 9, 486-544.
Becker, G. (1951).›Kornmotten und Pilzmücken an holzzerstörenden Pilzen und in pilzzerstörtem Holz in Gebäuden‹, Z.f. hyg. Zool. u. Schädlingsbekämpf., 39 (1), 5-14.
Bravery, A. F. & C. Grant (1985). ›Studies on the Growth of Serpula lacrymans (Schumacher ex Fr.) Gray‹, Material u. Organismen, 20 (3), 171-191.
Brown, J., M. M. Fahim & S. A. Hutchinson (1968). ›Some effects of atmospheric humidity on the growth of Serpula lacrimans‹, Trans. Br. mycol. Soc., 51 (3 and 4), 507−510.
Brownlee, C. & D. H. Jennings (1981). ›Further observations on tear or drop formation by mycelium of Serpula lacrimans‹, Trans. Br. mycol. Soc., 77 (1), 33−40.
Butler, G. M. (1957). ›The Development and Behaviour of Mycelial Strands in Merulius lacrymans (Wulf.) Fr. I. Strand Development during Growth from a Food-base through a Non-nutrient Medium‹, Ann. Bot. N.S., 21, 523−537.
Cartwright, K. St. G. & W. P. K. Findlay (1934). ›Studies in the Physiology of Wood-destroying Fungi. II. Temperature and Rate of Growth‹, Ann. Bot., 48, 481−495.
Cymorek, S. & B. Hegarty (1986). ›A technique for fructification and basidiospore production by Serpula lacrymans (Schum. ex Fr.) S. F. Gray in artificial culture‹, International Research Group on Wood Preservation, Document IRG/WP/2255, 1−13.
Falck, R. (1912). ›Die Merulius-Fäule des Bauholzes‹ in Hausschwamm-Forschungen 6 (Ed. A. Möller), pp. 1−405, Fischer, Jena.
Findlay, W. P. K. (1937). ›Dry rot investigation in an experimental house‹, For. Prod. Res. Rec., 14, 1−14 (16).
Hallenberg, N. & J. Eriksson (1985). ›The Lachnocladiaceae and Coniophoraceae of North Europe‹, Fungiflora, Oslo.
Hartig, R. (1885). Der echte Hausschwamm (Merulius lacrymans Fr.), Springer, Berlin Lohwag, K. (1952). ‚›Der Hausschwamm Gyrophana lacrymans (Wulf.) Pat. und seine Begleiter‹, Sydowia, Ann. Mycol. Ser. II., 6, 268−283.
Lohwag, K. (1955). Erkenne und bekämpfe den Hausschwamm und seine Begleiter!, Fromme & Co., Wien und München.
Mez, C. (1908). Der Hausschwamm und die übrigen holzzerstörenden Pilze der menschlichen Wohnungen. Ihre Erkennung, Bedeutung und Bekämpfung, Lincke, Dresden.
Nüesch, E. (1919). Die hausbewohnenden Hymenomyceten der Stadt St. Gallen, Fehr‘sche Buchhandlung, St. Gallen.
Nuss, I., 1980: Untersuchungen zur systematischen Stellung der Gattung Polyporus. Hoppea 39:127−5198.
Nuss, I., D.H. Jennings & C.J.Veltkamp, 1991: Morphology of Serpula lacrymans. In: D.H. Jennings and A.F.Bravery (ed.): Serpula lacrymans − Fundamental Biology and Control Strategies. John Wiley & Sons Ltd.Chichester.
Ramsbottom, J. (1937). ›Dry rot in ships‹, The Essex Naturalist, 25 (5), 231-267.
Weigl, J. & H. Ziegler (1960). ›Wasserhaushalt und Stoffleitung bei Merulius lacrymans (Wulf.) Fr.‹, Archiv f. Mikrobiol., 37, 124−133.

1 Ramsbottom, J., 1937:232
2 Lohwag, K., 1952: 270
3 Hallenberg, N. & J. Eriksson, 1985:83
4 Nüesch, E., 1919:166; Metz, 1908: 57
5 Weigl, J. & H. Ziegler, 1960:131
6 Falck, R., 1912: 302
7 Falck, R., 1912: 274 – 292
8 Brown, J., M. M. Fahim & S. A. Hutchinson, 1968:507; 510
9 Bavendamm, W. & H. Reichelt, 1939:506
10 Hartig, R., 1885:18; Cartwright, K. St. G. & W. P. K. Findlay, 1934: 481
11 Falck, R., 1912: 144 – 145
12 Falck, R., 1912: 211; Butler, 1957:529
13 Bravery, A. F. & C. Grant, 1985: 186
14 Falck, R., 1912: 312
14a Nuss, I., D.H. Jennings & C.J. Veltkamp, 1991; 16
15 Brown, J., M. M. Fahim & S. A. Hutchinson, 1968: 507, 510
16 Cymorek, S. & B. Hegarty, 1986: 11
17 Lohwag, K., 1955: 28
18 Falck, R., 1912: 211
19 Falck, R., 1912:221 – 223
20 Nuss, I., 1980: 157
21 Becker, G., 1951: 6, 8
22 Bavendamm, W. & H. Reichelt, 1939: 494
23 Brownlee, C. & D. H. Jennings, 1981: 37
24 Findlay, W. P. K., 1937: 14

We use cookies to ensure that we give you the best experience on our website.